SYSTEMRELEVANT.
ABER KEINEN CENT WERT?
Wir brauchen faire Bezahlung für systemrelevante Jobs!
Systemrelevant. Aber keinen Cent wert?
Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass viele Menschen zwar für die Gesellschaft wichtige („systemrelevante“) Jobs haben, in diesen jedoch prekäre Rahmenbedingungen vorfinden: Der Mindestlohn und andere gesetzliche Arbeitnehmerrechte werden mit Tricks umgangen, um Sozialabgaben zu sparen, Leiharbeit bietet wenig Perspektiven. Mit Mini-Jobs, Scheinselbstständigkeit oder gar Schwarzarbeit werden immer wieder fehlende rechtliche Kenntnisse und die Notlagen der Beschäftigten ausgenutzt, um soziale Schutzmechanismen auszuhebeln und Steuerschlupflöcher zu nutzen. So werden zugleich die Risiken auf die Beschäftigten verlagert. Dabei müssen viele Menschen mit mehreren Jobs jonglieren oder ihr zu geringes Einkommen mit Transferleistungen auf das Existenzminimum aufstocken. Damit sind die finanziellen Möglichkeiten, die Teilnahme an vielen Lebensbereichen und auch die Gesunderhaltung etwa durch Urlaub oder Sport stark eingeschränkt, während die Bildung von Rücklagen oder gar private Altersvorsorge beinahe unmöglich sind.
Zur aktuellen Situation:
„Rund eine halbe Million Menschen muss trotz Erwerbstätigkeit mit Hartz IV aufstocken. Das betrifft auch viele systemrelevante Berufe. (…) So mussten im Dezember 2020 [in Deutschland] 10.862 Beschäftigte in der Altenpflege, 8.249 Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie bei Rettungsdiensten und in der Geburtshilfe und 44.258 Beschäftigte in der Lagerwirtschaft, Post und Zustellung und beim Güterumschlag aufstocken. Auch 36.515 Verkäuferinnen und Verkäufer mussten als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Aufstockerleistungen beantragen.“
WAZ, 13.12.2021, Tobias Kisling – Hartz IV: Viele „Corona-Helden“ müssen weiterhin aufstocken
„ ‚Die allgemeinen Folgen der Pandemie trafen Arme ungleich härter‘, kritisiert Schneider. Insbesondere das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I hätten zwar durchaus als Instrumente der Armutsbekämpfung gewirkt, so ein Befund des Berichts. Doch seien vor allem Erwerbstätige, und darunter vor allem die Selbständigen, die Einkommensverlierer der Corona-Krise und das schlage sich auch in den Armutsquoten nieder“
Der Paritätische, 16. Dezember 2021 – Armut in der Pandemie: Paritätischer stellt Bericht zur Armut in Deutschland vor
Notwendig ist:
Menschen müssen von einer Vollzeitarbeitsstelle auskömmlich leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Zudem muss ein Beschäftigungsverhältnis ein gewisses Maß an Planungs- und Zukunftssicherheit bieten. Es muss sichergestellt werden, dass Löhne, Gehälter und sonstige Arbeitsbedingungen fair sind und soziale Schutzmechanismen nicht folgenlos ausgehebelt werden können. Dazu gehören etwa eine weitere Anhebung des Mindestlohnes, eine weitergehende Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen, sowie Anreize zur Umwandlung von Minijobs, befristeter Beschäftigung und unfreiwilliger Teilzeitarbeit, mit denen vor allem Frauen Vorlieb nehmen müssen, in sozialversicherungspflichtige und dauerhafte Vollzeitarbeit (siehe DGB Bundesvorstand, Mai 2017)
BILDUNGSLAND. ABER IM DIGITALEN NOTSTAND?
Wir brauchen ausreichend Personal und Ausstattung, um beste Bildung für alle zu ermöglichen.
Bildungsland. Aber im digitalen Notstand?
Corona vergrößert die Bildungskluft zwischen Kindern und Jugendlichen aus wohlhabenden und weniger wohlhabenden Elternhäusern enorm. Besonders in dieser Zeit wurde deutlich, dass nicht alle Schüler*innen die gleichen Bildungschancen haben. Das Homeschooling setzt voraus, dass Familien über die digitale Ausstattung zu Hause wie Laptop, Drucker und Internet verfügen. Außerdem wird Zeit und Wissen der Eltern vorausgesetzt, um das Homeschooling zeitlich und inhaltlich zu begleiten. Viele Eltern, die Vollzeit arbeiten, einen geringen Bildungsstand oder geringe Sprach- und Technikkenntnisse aufweisen, können aber dies nicht leisten. So fiel für viele Schüler*innen in der Pandemie der Unterricht ersatzlos aus, was langfristig zu Bildungslücken und gravierenden Bildungsunterschieden führt. In Einzelfällen konnte nicht mal digitaler Unterricht umgesetzt werden.
Zur aktuellen Situation:
„(…) ‚im Februar 2021 (wurden) alle Klassenräume an allen Schulen in Dortmund begangen, um die Lüftungsmöglichkeiten zu eruieren. Bei 202 Klassenzimmern wurde festgestellt, dass sie nur schlecht belüftet werden können. Für diese Räume an 27 Schulen wurden 202 mobile Luftreinigungsgeräte mit einem HEPA 14 Filter beschafft. Diese Geräte kommen seit April 2021 gezielt dort zum Einsatz, wo Räume nicht ausreichend oder regelmäßig gelüftet werden können‘, teilt die Pressestelle der Stadt Dortmund stolz mit.“
Nordstadtblogger, 23. Juli 2021 – “Warum nicht für die Generation, die die Kosten unserer Fehler zahlen muss!?” – Streit um Luftfilter an Dortmunder Schulen
„Die Probleme manifestieren sich besonders in bestimmten Bevölkerungsgruppen. Von Lehrkräften über Gesundheitsexpertinnen und -experten bis hin zu Kinderpsychologinnen und -psychologen besteht die Sorge, dass Kinder in besonderen Problemlagen noch weiter abgehängt werden als vor der Pandemie.“
BiB.Bevölkerungs.Studien 2/2021. Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung– Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie
Notwendig ist:
Die Sicherstellung des Unterrichtens in Präsenz unter angemessenen Bedingungen. Dazu gehören Luftfilter in allen Schulen, um auch in der kalten Jahreszeit im Warmen Unterricht zu ermöglichen und Schulschließungen möglichst zu vermeiden. Zusätzlich ist eine zeitgemäße technische Ausstattung notwendig, wozu ein Internetzugang und moderne Endgeräte gehören. Des Weiteren muss schnell und unbürokratisch sichergestellt werden, dass alle einkommensschwachen Haushalte ebenfalls über eine ausreichende Ausstattung für Homeschooling verfügen, damit alle Schüler*innen unabhängig vom Familieneinkommen die gleichen Bildungschancen haben. Bei Bedarf sollten Kinder von berufstätigen oder bildungsfernen Haushalten kostenlose Nachhilfe- oder Betreuungsangebote nutzen können, auch bei geschlossenen Einrichtungen.
LEBEN LERNEN
LEISTUNG
ABER AUF 50M²?
Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum, in dem Familie, Lernen und Arbeiten vereinbar sind.
Leben, Lernen, Leistung. Aber auf 50 m²?
In Zeiten von Corona und vor allem während der Lockdowns hat die Wohnsituation noch einmal an Bedeutung gewonnen. Beengte Lebensverhältnisse erschweren Hygienemaßnahmen z.B. in Quarantänefällen, begünstigen Stress durch wenige Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten und können kindgerechtes Lernen und Homeschooling erschweren oder sogar unmöglich machen.
Auf dem Wohnungsmarkt sind viele benachteiligt, zum Beispiel Haushalte mit geringem Einkommen, im Transferleistungsbezug, Familien mit mehreren Kindern oder Menschen mit Migrationshintergrund. In benachteiligten, dicht bebauten Stadtteilen ist die Wohnfläche pro Kopf oftmals deutlich unterdurchschnittlich, während gleichzeitig ausreichend Grün- und Freiflächen im öffentlichen Raum fehlen, um die Enge der Wohnung zumindest teilweise zu kompensieren.
Für alle Menschen muss die Versorgung mit Wohnraum, der Leben, Arbeiten und Lernen gleichermaßen ermöglicht, gesichert sein.
Zur aktuellen Situation:
„In der COPSY-Studie konnte schließlich auch gezeigt werden, dass Kinder und Jugendliche mit mehreren Risikofaktoren, wie […] beengtem Wohnraum (< 20 qm Wohnfläche/ Person), die Veränderungen durch die Pandemie als besonders belastend erleben. Sie wiesen eine deutlich stärkere Belastung durch die Pandemie auf (43 % zu 27 %), häufigere psychosomatische Beschwerden, eine deutlich geminderte Lebensqualität sowie ausgeprägtere Symptome von Angst und Depressivität.“
BiB.Bevölkerungs.Studien 2/2021. Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung– Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie
„Gleichzeitig fallen immer mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung und die Mieten steigen ungebremst weiter. Die Corona-Pandemie verschärft die Situation: Viele Menschen haben weniger Einkommen und müssen befürchten, ihr Zuhause zu verlieren, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können. Regelungen, um sie zu schützen, gibt es nicht mehr.“
Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes https://www.mieterzeitung.de/ausgabe-2-2021/kommentar.html
Notwendig ist:
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch einen bedarfsangemessenen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus! Nicht nur Quoten für öffentlich geförderte Wohnungen im Neubau sind notwendig, sondern Kommunen müssen auch von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, um in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt Flächenpotenziale zu sichern. So kann in unseren Städten schnell und effizient Wohnraum entstehen, den sich auch Haushalte mit geringem Einkommen leisten können.
Der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt muss Einhalt geboten werden: Private Vermieter*innen und Wohnungsbaugesellschaften müssen stärker in die Pflicht genommen werden, Wohnraum nicht zu vernachlässigen und bei der Vermietung diskriminierungsfrei zu handeln. Gesetzliche Grundlagen wie das Wohnraumstärkungsgesetz NRW und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) müssen konsequent angewendet werden, um die Verwahrlosung und Überbelegung von Wohnraum sowie Diskriminierung bei der Vermietung zu verhindern. Lücken in der Antidiskriminierungsgesetzgebung müssen geschlossen werden.
Siehe auch Forderungen des NRW-Bündnisses „Wir wollen wohnen“.
Aktuelle Hilfsangebote
… für Arbeitnehmer*innen
- https://www.verdi.de/themen/corona/
- https://www.bmas.de/DE/Corona/corona.html
- https://www.wirtschaftsfoerderung-dortmund.de/corona-faq
- https://jobcenterdortmund.de/de/kontakt (Aktionsbüro Borsigplatz)
… für Schüler*innen und Familien
- https://infotool-familie.de/
- https://www.dkjs.de/aufleben/
- https://www.dajeb.de/beratungsfuehrer-online/beratung-in-ihrer-naehe/
- https://jobcenterdortmund.de/de/kontakt
… für Mieter*innen
Telefon:
Unter der Rufnummer 0211/9119-1001 ist die Corona-Hotline derzeit montags bis freitags zwischen 8.00 und 18.00 Uhr und samstags von 9.30 bis 18.00 Uhr erreichbar. Fragen können ebenfalls unter corona@nrw.de per Mail gestellt werden.
An den Hotlines der Corona-Soforthilfe (0211/7956-4995) und der Corona-Überbrückungshilfe und der NRW Überbrückungshilfe Plus (0211/7956-4996) erhalten Betroffene zusätzlich Informationen zum Beispiel zu Fördervoraussetzungen.